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Kern des Integrationsmonitorings ist die Erhebung und die Ausweisung einer familiären Zuwanderungsgeschichte, des sog. Migrationshintergrundes. Die bis 2005 in der amtlichen Statistik ausschließlich verwendete Abgrenzung über die Staatsangehörigkeit bildet das Wanderungsgeschehen und den Stand der Integration nur unzureichend ab. Da ein Teil der Zugewanderten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (z.B. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler oder Eingebürgerte) und ein Großteil der Kinder von Zugewanderten schon als Deutsche geboren wurde, ergibt sich bei einer alleinigen Fokussierung auf die ausländische Bevölkerung eine negativ verzerrte Integrationsbilanz. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen und Ergebnisse der Integrationsberichterstattung aus den Ländern zeigen, dass sich Zugewanderte mit deutscher Staatsangehörigkeit und Eingebürgerte sozialstrukturell positiv von der Gruppe der Ausländerinnen und Ausländer unterscheiden. So wird im Einbürgerungsverfahren ein Mindeststand der Integration vorausgesetzt, indem Sprachkenntnisse und die Sicherung des Lebensunterhalts ohne sozialstaatliche Transferzahlungen erwartet werden (9).
Um die Integrationsprozesse besser abbilden und Integrationserfolge deutlicher herausarbeiten zu können, wurde in der amtlichen Statistik mit dem Mikrozensus 2005 ein umfassendes Konzept zur Erhebung des Migrationshintergrundes eingeführt. In den ersten beiden Berichten des Ländermonitorings wurde die Definition des Migrationshintergrundes des Statistischen Bundesamtes (10) zugrunde gelegt. Diese Definition hat in der Vergangenheit immer wieder fachliche und wissenschaftliche Kritik auf sich gezogen, z.B. wegen der fehlenden Möglichkeit der Übernahme ihrer Definition für andere Befragungen und Statistiken sowie der schlechten Verbalisierbarkeit in der Öffentlichkeit.
Die für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister/Senatorinnen und Senatoren der Länder sprachen sich daher auf ihrer 9. Sitzung dafür aus, als einheitliche Definition des Migrationshintergrundes die Definition des Zensus 2011 zu verwenden. Einen Migrationshintergrund haben demnach in diesem Bericht jene Personen, die
Durch die Umstellung auf die im Zensus 2011 verwendete amtliche Definition des Migrationshintergrundes ergeben sich Abweichungen gegenüber anderen Berichtsquellen, die im Abschnitt Datenquellen erläutert werden.
Ferner konnte in den früheren Berichten aus Gründen der Datenerhebung lediglich ein Migrationshintergrund „im engeren Sinn“, d.h. ohne Zusatzinformationen zu den Eltern außerhalb des Haushalts ausgewiesen werden. Allerdings wurde ein Teil der – in der Regel besser integrierten – zweiten Generation nicht erfasst. Ab dem Bericht des Jahres 2019 wird aufgrund verbesserter Datenlage abweichend von früheren Berichten der Migrationshintergrund „im weiteren Sinn“, d.h. einschließlich der Elterninformationen außerhalb des Haushalts der/des Befragten verwendet (11).
Diese Brüche in den langen Zeitreihen sind von den Nutzerinnen und Nutzern des Online-Tabellenteils zu berücksichtigen. Weitere Details – auch zu den quantitativen Auswirkungen der Änderungen der Definition des Migrationshintergrundes – können dem Kapitel „Datenquellen“ entnommen werden.
Hingewiesen sei ferner darauf, dass die umfassende Definition des Migrationshintergrundes nur für die Indikatoren zur Verfügung steht, die mit den Daten des Mikrozensus berechnet werden. Andere Fachstatistiken sowie die neuen Daten des Integrationsbarometers verwenden abweichende Definitionen des Migrationshintergrundes; diese sind bei den jeweiligen Indikatoren vermerkt. Manche Indikatoren müssen nach wie vor auf Daten zurückgreifen, die nach der Staatsangehörigkeit differenziert werden. Dies ist zum Beispiel beim Schulbesuch, bei der Arbeitslosigkeit oder der Kriminalität der Fall. Es ist nicht davon auszugehen, dass in nächster Zeit bei diesen amtlichen Daten auch der Migrationshintergrund erhoben und ausgewiesen wird.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Konzept des Migrationshintergrundes nicht unumstritten ist (12) . Zum einen ist die Bevölkerung mit Migrationshintergrund „in sich sehr heterogen, z.B. hinsichtlich des Herkunftslandes, des kulturellen Hintergrundes, der Aufenthaltsdauer in Deutschland, der Zuwanderergeneration, der Sprachkenntnisse, der Religionszugehörigkeit“ usw. Zum anderen wird die Titulierung teilweise als „defizitär und stigmatisierend wahrgenommen, da sie eine Nichtzugehörigkeit andeutet und möglicherweise einen Integrationsbedarf signalisiert, der in vielen Fällen gar nicht gegeben ist“ (13) . Der vorliegende Bericht nutzt den Migrationshintergrund zum Zweck statistischer Analysen, da dieser gegenüber der Staatsangehörigkeit eine bessere Abbildung von Integrationsprozessen ermöglicht. Er wird auch im europäischen Ausland – zum Beispiel den Nachbarländern Österreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz – sowie mittlerweile auch in der OECD (2018) verwendet, wenn auch zum Teil mit abweichenden Definitionen. Momentan liegen keine alternativen (14) , ähnlich leistungsfähigen Konzepte vor.
(9) Zum Thema Einbürgerung umfassend Thränhardt, Dietrich (2017): Einbürgerung im Einwanderungsland Deutschland. Analysen und Empfehlungen. Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn.
(10) Nach der damaligen Definition des Statistischen Bundesamtes zählten zu den Personen mit Migrationshintergrund „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“. Nach der aktuellen im Mikrozensus verwendeten Definition hat eine Person einen Migrationshintergrund, „wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt“. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2020): Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2019. Fachserie 1, Reihe 2.2. Wiesbaden, S. 4.
(11) zur Unterscheidung von Migrationshintergrund im „engeren“ sowie im „weiteren“ Sinne vgl. u.a. Will, Anne-Kathrin (2018): Migrationshintergrund im Mikrozensus. Wie werden Zuwanderer und ihre Nachkommen in der Statistik erfasst? Eine Expertise für den Mediendienst Integration. Berlin.
(12) dazu z.B. Fachkommission Integrationsfähigkeit (2020): Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten. Bericht der Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit. Berlin, S. 218ff. oder Petschel, Anja/ Will, Anne-Kathrin (2020): Migrationshintergrund – Ein Begriff, viele Definitionen. Ein Überblick auf Basis des Mikrozensus 2018. In: Wirtschaft und Statistik 5, S. 78-90.